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Parteiencheck: Wer will den Wandel des Finanzsystems?

Donnerstag, 5. Oktober 2017

Parteiencheck: Wer will den Wandel des Finanzsystems?

Fragen an die Parteien & Wahlprogramm-Screening

Wir meinen, dass das Finanzsystem dringend einer tiefgreifenden Umgestaltung im Sinne einer nachhaltigen und zukunftstauglichen Entwicklung unserer Gesellschaft bedarf. Dazu gehören vor allem:

  • ein Bankenwesen, das einer nachhaltigen Wirtschaft dient
  • ein stabiles und die Ungleichheit nicht erhöhendes Finanzsystem im Interesse aller Bürger*innen, um millionenteure Bankenrettungen mit Steuergeldern in Zukunft zu verhindern.

Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass eine Reform des Bankwesens dringend notwendig ist, im Sinne eines ethischen, verantwortungsvollen Umgangs mit Kapital, einer stärkeren Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kund*innen sowie am Nutzen für die Unternehmer*innen in Österreich. Dafür sind wirksame Regeln notwendig. In Deutschland beispielsweise umfasst der Kern der Bankenregulierung aktuell 34.019 Seiten, bestehend aus 4.001 Vorschriften – doch sie bewirken wenig.

 

Screening Wahlprogramme: Wer ist für den Wandel? 

Wir haben uns angesehen, welche Positionen die wahlwerbenden Parteien SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos und KPÖ Plus (Liste Pilz hat noch kein Programm) rund um Finanz- und Bankenwesen in ihren Wahlprogrammen vertreten. Hier die ersten wichtigsten Ergebnisse unserer Screenings. Wir hoffen, mit unserer Analyse zur Meinungsbildung beizutragen!

 

  • In den meisten Wahlprogrammen spielt das Thema einer nachhaltigen und sozial gerechten Ausgestaltung unseres Geld- und Finanzsystems kaum eine Rolle. Der Zusammenhang zwischen einem dysfunktionalen, instabilen Finanzsystem und der zunehmenden Ungleichheit sowie einem abnehmenden Sicherheitsgefühl wird von keiner der untersuchten Parteien thematisiert.
  • Mehr und differenziertere Bankenregulierung auf europäischer Ebene findet in der Mehrzahl der Wahlprogramme keine Erwähnung – trotz milliardenschwerer Hypo Alpe Adria-Rettung mit österreichischen Steuergeldern und einem drohenden Zusammenbruch des Euro-Systems. 
  • Eine Rückbesinnung des Finanzsektors auf seine Funktion als Dienstleister der Wirtschaft wird allgemein von SPÖ, Grünen und NEOS sowie indirekt von Liste Kurz gefordert.
  • Eine europaweite Finanztransaktionssteuer findet sich explizit nur bei den Grünen und NEOS.
  • Finanz- und geldpolitische Aspekte werden in den einzelnen Wahlprogrammen weniger als grundlegend strukturelles Thema behandelt, sondern vielfach mit parteipolitischen Schwerpunkten in Verbindung gesetzt: mit Arbeitnehmer*innenschutz bei der SPÖ, mit dem Erhalt des Bargelds bei der Liste Sebastian Kurz, mit Sicherheitspolitik bei der FPÖ und mit Klimaschutz bei den Grünen.
  • Von einer gezielten Unterstützung gemeinwohl-orientierter, genossenschaftlicher und ethischer Banken ist bislang in keinem einzigen Wahlprogramm die Rede. Gemeinwohl-Orientierung als politisches Ziel findet sich bei den Grünen und im Wahlprogramm der KPÖ Plus, das zu Fragen des Finanzsystems und einer künftigen Geldpolitik jedoch keine gesonderten Positionen enthält.

 

Auszüge aus den Wahlprogrammen hier zum Download

 

Fragen an die Parteien

Gemeinsam mit dem Förderungsverein der Primärbanken haben wir den Parteien acht Fragen rund um Regulierung, Eindämmung von Spekulation, Geldschöpfung und Gemeinwohl-Orientierung von Banken gestellt. Ihre Antworten divergieren. Einigkeit herrscht großteils darüber, dass kleine Banken weniger reguliert werden sollten als große, dass Investment- und Geschäftsbanken getrennt werden sollten, dass Hochfrequenzhandel eingeschränkt und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden sollte. Weniger Einigkeit herrscht rund um die Bankenrettungen, die Staatsfinanzierung von Banken sowie das Privileg der Giralgeldschöpfung. Geantwortet haben SPÖ (Jan Krainer, Finanzsprecher), Grüne (Werner Kogler, Finanzsprecher), NEOS (Sepp Schellhorn, Wirtschaftssprecher) und Liste Pilz (Bruno Rossmann, Finanzsprecher). Hier die Themen:
 

  • A. „Too-big-to-fail“ und Trennbankensystem
  • B. Eigenkapitalanforderungen und „asymmetrische Regulierung“
  • C. Staatsfinanzierung durch Banken und umgekehrt
  • D. Regulierung des Kapitalmarktes: Beispiel Hochfrequenzhandel, Finanztransaktionsteuer
  • E. Privileg der Giralgeldschöpfung von Geschäftsbanken
  • F. Finanzsystem, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl-Orientierung

 

Die Antworten der Parteien gibt es hier zum Download.

 

Wir danken für die Antworten und legen allen ans Herz, wählen zu gehen. Wir hoffen, damit einige zusätzliche Aspekte zur Wahlentscheidung beigetragen zu haben.